Diese Stellungnahme kommt später als geplant und war ursprünglich als Video gedacht. Leider sehe ich mich gerade nicht in der Lage gefasst in eine Kamera zu sprechen. Selten war ich in meinem Leben so wütend wie im Augenblick. Daher hoffe ich, dass ihr mir eure Aufmerksamkeit schenkt und diesen Text bis zum Ende lest. Dafür, an dieser Stelle, schon einmal vielen Dank.
Nachdem die Event- und Veranstaltungsbranche, zu der auch wir uns als Hochzeitsdienstleister zählen, wie wohl kaum eine andere von den Restriktionen zur Eindämmung des neuen Corona-Virus getroffen wurde, hatten wir zumindest wieder etwas Hoffnung geschöpft.
In den ersten drei Monaten der Pandemie hat man uns entweder ignoriert oder schlicht vergessen. Es hat einiges an Mühe und viele koordinierte Demonstrationen gebraucht, um auf uns aufmerksam zu machen. Schließlich ist es uns aber gelungen und in NRW durften wir zunächst testweise wieder Feiern mit 50, dann mit 150 Personen ausrichten.
Als Eventhaus Giebel haben wir ein umfassendes, modulares Hygienekonzept zur Verfügung gestellt. Die einzelnen Bestandteile ermöglichen eine Anpassung an fast jeden Veranstaltungsort und jede „Gefährdungslage“. Wir haben in Aerosolfilteranlagen, Hygienestationen, bauliche Veränderungen und zusätzliches Equipment investiert, um einen umfassenden Schutz unserer Gäste sicherzustellen … viele andere Locations haben Vergleichbares auf sich genommen.
Unsere Anstrengungen haben Wirkung gezeigt.
Nur ein sehr geringer Teil der in NRW gemessenen Neuinfektionen wurde durch professionell begleitete Feiern, wie sie bei uns stattfinden, ausgelöst. Diese müssen auch deutlich von selbst organisierten Feiern ohne Hygienekonzept und geschultes Personal abgegrenzt werden.
Wenn niemand außerhalb der Feiernden das Geschehen im Blick hat und eingreifen kann, werden Regeln meist erst gar nicht oder nur halbherzig befolgt. Buffets stehen offen zugänglich, Hygienestationen werden entweder gar nicht aufgestellt oder nicht nachgefüllt und es gibt niemanden, der sich während der Feier um die kontinuierliche Desinfektion der sanitären Anlagen kümmert. Selbstbedienung bei Getränken, eine unsachgemäße Reinigung von Gläsern und Geschirr und fehlender Luftaustausch tun ihr Übriges um einem regen Infektionsgeschehen Tür und Tor zu öffnen.
All das gibt es auf einer professionell begleiteten Feier nicht! Darauf legen wir großen Wert!
Dennoch subsummiert die gesamte Presse – von der man eigentlich ein etwas professionelleres Vorgehen erwarten dürfte, so sie sich denn „seriös“ nennen möchte – alle Ereignisse die auch nur entfernt in die Richtung „Fest“ gehen unter dem Oberbegriff „Private Feier“ und hat, beginnend mit einem Einzelereignis in Hamm (auf dem die geltenden Regeln eben nicht eingehalten wurden) eine regelrechte „Hexenjagd“ auf das Feiern an sich ausgerufen. An jeder Stelle wird nun beschworen, wie schlimm und verwerflich es doch sei, nach Monaten des Abstands und des Ausharrens wieder ein wenig Zeit im Kreis von Freunden und Familie verbringen zu dürfen … insbesondere dann, wenn ein freudiges Ereignis zu feiern ist … „Tststs … schämt euch!“ (Das war Ironie – für diejenigen, die davon bisher noch nichts gehört haben.)
Nun hatten wir nach der guten Zusammenarbeit mit Politik und Regierung in den letzten Monate durchaus den Eindruck gewonnen, dass wir es – allen Unkenrufen zum Trotz – mit rationalen Menschen zu tun haben, die unabhängig von Panikmache und Hetze, ausbalancierte Entscheidungen hinsichtlich des Infektionsgeschehens treffen würden …, und zwar auf Basis der in den letzten Monaten gewonnenen Erkenntnisse.
Schließlich kam es zur sog. „Corona-Bremse“ basierend auf den Inzidenzwerten 35 und 50. Hier fallen die maximalen Teilnehmerzahlen für private Feiern aus herausragendem Anlass im professionellen Kontext auf 50 bzw. 25 Personen. Das ist sicher unbequem, kurzfristig auch durchaus problematisch (warum erkläre ich noch) und wissenschaftlich auch nicht sauber definiert, aber zumindest ein halbwegs rational begründbarer Ansatz.
Ein Tritt ins Gesicht
Was aber am 11.10.2020 (am Sonntag nach dem für unsere Branche arbeitsreichsten Tag dieses Jahres) nachmittags von Herrn Laschet verkündet wurde und von der Ministerpräsidentenkonferenz am 14.10.2020 noch gesteigert wurde ist schon kein Schlag ins Gesicht mehr, es ist ein Tritt!
Zusätzlich halte ich es nach all den investierten finanziellen Mitteln (was uns nicht leicht fiel) und der ganzen Arbeit – sowohl in unseren Geschäften selbst, als auch politisch und in der Außenkommunikation -, auf rein menschlicher Ebene, ausgesprochen unfair so etwas von heute auf morgen zu beschließen und uns vor vollendete Tatsachen zu stellen.
Seit dem 14.10.2020 sind in NRW generell keine Feiern mit mehr als 50 Personen möglich. Bei 7-Tage-Inzidenzen von 35 bzw. 50 sind Feiern nur noch mit 25 bzw. 10 Personen möglich.
Die reine Ankündigung hat in der Folge am Anfang der Woche natürlich zum endgültigen Zusammenbruch unseres, nach der Katastrophe des ersten Lockdowns (welcher ohnehin schon zur Verschiebung so gut wie jeder Feier des Jahres geführt hat), mühsam neu akquirierten Wintergeschäfts geführt und es ist uns durch die neu erzeugte Unsicherheit und Angst auch faktisch unmöglich gemacht worden Ersatzgeschäft zu generieren. – Wer bucht schon eine Feier, wenn einem von heute auf morgen 50 % oder gar 80 % der Gästeliste gestrichen werden können?
Das Gleiche gilt für nahezu alle unsere Kollegen und dieser Verlust hat selbstredend auch für entsprechende Einbußen bei unseren Zulieferern und Kooperationspartnern gesorgt.
Aber, warum ist das so?
Um die Hochzeitsbranche zu verstehen, müsst ihr ein paar essenzielle Dinge wissen:
Die meisten Hochzeiten haben einen Planungshorizont von etwa einem Jahr.
Die wenigsten Paare heiraten kurz entschlossen. Schließlich gibt es eine Menge vorzubereiten: Wenn der Termin steht müssen die Location gebucht, die Gäste eingeladen, das Essen getestet, der Ablauf geplant und viele andere Dinge organisiert werden. Auch wenn es möglich ist zu sagen „Lass uns nächste Woche heiraten!“ (Ja, auch das haben wir schon möglich gemacht.), wird das kaum jemand tun.
Was wir also jetzt an Geschäft verlieren, bleibt verloren und wir haben so kurzfristig kaum eine Chance unseren Kalender wieder zu füllen. Die für November und Dezember gebuchten Feiern über 50 Personen sind nun längst verschoben (niemand lädt ein Drittel seiner Gäste aus) und selbst wenn sich unsere Regierung morgen wieder anders entscheidet, wird sich daran nichts mehr ändern … auf den bereits angefallenen Kosten für die Vorbereitungen bleiben unsere Kollegen und wir sitzen.
Die wenigsten Hochzeiten finden mit einer Teilnehmerzahl unter 50 Personen statt.
Tatsächlich liegt der Durchschnitt in Deutschland bei etwa 70 Gästen, bei Veranstaltungsorten in unserer Größenordnung sogar noch etwas höher. Abgesehen davon ist es schon ziemlich viel von einem Paar verlangt zu entscheiden, welche Freunde man nun lieber mag. Da gehen die meisten Paare verständlicherweise den Weg die Hochzeit auf einen Zeitpunkt zu verschieben, wo diese genau so stattfinden kann, wie sie es sich wünschen. Schließlich heiratet man (hoffentlich) nur einmal im Leben.
Für uns Dienstleister heißt das aber natürlich, dass wir nicht weniger verdienen …, sondern nichts.
Die Hochzeitsbranche ist vielfältig und durch Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen geprägt.
Von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen gibt es in unserer Branche keine Konzerne. Sogar auf den klassischen mittelständischen Betrieb trifft man eher selten. In aller Regel hat man es mit Solo-Selbstständigen (DJ:ane, Fotograf:in, Sänger:in, Alleinunterhalter:in, Zauberkünstler:in, Dekorateur:in, Trauredner:in usw.) oder kleinen (Familien)Unternehmen (Veranstaltungsorte wie wir, Brautausstatter, Konditoreien, Papeteriefachgeschäfte und ähnlichen) zu tun.
Wir alle machen unseren Job, weil wir eine Berufung darin sehen und nicht um reich zu werden. Für uns ist das glückliche Lächeln nach einer gelungenen Feier genauso Teil des Lohns, wie den Spaß auf den Gesichtern unserer Gäste zu sehen. Wir unterstützen einander und tun alles um ein perfektes Fest für unsere Kunden zu zaubern. Wir sind keine Konkurrenten oder Rivalen … wir sind eine Familie.
Daher sind wir alle voneinander abhängig. Die Locations stehen am Beginn einer Kette aus Dominosteinen. Wenn bei uns nicht gefeiert werden kann, also der erste Stein fällt, fallen auch alle folgenden.
Was besser gewesen wäre
Um eines noch mal deutlich zu machen: Keiner von uns unterschätzt die Gefahren, die von der COVID-19-Pandemie ausgehen. Das ist der Grund warum wir uns weit über die bisherigen gesetzlichen Vorgaben für einen Schutz unserer Festgesellschaften engagiert haben.
Wir sind uns der Tatsache sehr bewusst, dass wir im Moment nicht einfach so Feiern ausrichten können wie früher.
Aber gerade, wenn man wie unsere Politiker immer wieder auf Zahlen und Fakten als Grundlage für Entscheidungen verweist, sollte man diese zum einen auch differenziert betrachten und zum anderen das Gespräch mit den unmittelbar Betroffenen suchen, um zu harsche und womöglich nicht zielführende Grundrechtseingriffe zu vermeiden.
Was heißt das konkret?
Wenn ich eine Aussage wie „8 % der Neuinfektionen sind auf private Feiern zurückzuführen“ (Karl-Josef Laumann) mache, dann subsumiere ich hier grundverschiedene Dinge unter einem Oberbegriff. So ist eine WG-Party etwas völlig anderes als eine professionell durchgeführte Hochzeitsfeier. Beides wird aber als private Feier gewertet. Hier wäre es richtig gewesen zu unterscheiden und ich bin mir sicher, dass der Wert für professionell begleitete Feiern deutlich weniger alarmierend ist. Außerdem sollten diese Auswertung auf einem einfachen Weg der Öffentlichkeit zugänglich sein.
Abgesehen vom rein organisatorischen Unterschied spielt es auch eine große Rolle, in welchen Rahmen die Feier stattfindet. Dabei sind Fragen zu berücksichtigen wie
- Gibt es ein Hygienekonzept?
- Gibt es eine Absauganlage?
- Gibt es Aerosolfilter?
- Gibt es bauliche Maßnahmen wie z. B. Spuckschutze die Infektionen verhindern können?
- usw.
All das passiert aber nicht. Es wird nur darauf verwiesen, dass Gesundheits- und Ordnungsämter Sondergenehmigungen erteilen können. Im gleichen Atemzug aber weist man auf die Überlastung ebendieser Institutionen hin … und dann möchte man den Mitarbeitern dort auch noch die Verantwortung aufbürden über spezifische Veranstaltungen zu entscheiden und diese dann auch noch zu kontrollieren?
Hier wäre der deutlich bessere Ansatz den jeweiligen Veranstaltungsort und das zugrundeliegende Konzept einmal gemeinsam durchzugehen und dann eine generelle Freigabe für bestimmte Gesellschaftsgrößen zu erteilen, die auch bei höheren Inzidenzwerten gilt.
Außerdem müsste der Staat eine Kostenausfallgarantie abgeben, die betroffenen Unternehmen im Fall von kurzfristigen Verboten zumindest die Vorinvestitionen für eine Veranstaltung ersetzt. Nur dann könnten bereits generierte Aufträge gehalten werden.
Was passiert, wenn es so weitergeht wie bisher?
Unsere Regierung, unter anderem unsere Kanzlerin, betont immer wieder, dass dies alles ein vorübergehender Zustand sei, wir bloß durchhalten müssten und dann würden wir alle wieder feiern, uns in den Armen liegen und es wäre wieder wie vorher. Schöne Vorstellung … nur leider stimmt das so nicht.
Wie vorher wird es ganz gewiss nicht sein. Dafür ist der Schaden an der Event- und Veranstaltungsbranche bereits zu groß. Die Insolvenzwelle hat begonnen und wird immer mehr Fahrt aufnehmen.
Letztendlich werden wir feststellen, dass die in den letzten Jahrzehnten gewachsene Infrastruktur aus vielen kleinen Unternehmen und Solo-Selbstständigen zusammenbricht. Lieferketten (z.B. beim Catering) zerreißen und bei verzahnten Dienstleistungen (wie beispielsweise Bühnen- und Tontechnik) fehlen wichtige Räder.
Die ganze Branche funktioniert nur so gut, weil es ein dichtes Netz an persönlichen Kontakten, kurzen Dienstwegen und Vertrauen gibt. So können Schwierigkeiten schnell umschifft werden (man springt füreinander ein) und Unvorhergesehenes einfach (Ein Gerät fehlt? Jemand aus der Kontaktliste wird helfen können.) geregelt werden.
Nun verschwinden aber immer mehr der bekannten Akteure vom Markt, die größeren Betriebe verlieren gut ausgebildete Mitarbeiter, weil diese sich neu orientieren müssen und Solo-Selbstständige müssen in angestellte Tätigkeiten zurückkehren. Wenn die Krise irgendwann überwunden ist, werden die Betroffen nicht einfach das mühsam neu aufgebaute Leben wieder hinwerfen, um wieder in der Veranstaltungsbranche zu arbeiten, wohl wissend, dass sie sich offenbar nicht auf die Solidarität der Allgemeinheit verlassen können … warum sollten sie auch?
Somit fallen wir auf die Anfänge zurück. Auf einigen Konzerten wird die Bühne dunkel bleiben und es wird ohnehin viel weniger davon geben, von Festivals ganz zu schweigen. Orte an denen man einfach mal die Nacht durchtanzen kann dürften in Zukunft nur noch schwer zu finden sein und Hochzeiten werden wieder im Hinterzimmer irgendeiner Kneipe mit Mettbrötchen und Käseigel gefeiert – den DJ gibt dann der Sohn eines Kollegen mit dem Smartphone und ein paar Bluetooth-Lautsprechern, während die Deko aus ein paar Windlichtern auf bunten Papierservietten besteht … wie romantisch!
Und dort hört es natürlich nicht auf. Wer jetzt seinen Besuch im Lieblingsrestaurant, Kino, Theater, Freizeitpark usw. aus Angst auf „irgendwann später“ verschiebt, wird feststellen, dass diese Orte „irgendwann später“ einfach nicht mehr da sind.
Also: Nein, die Zeit in der wir wieder gemeinsam so wie früher feiern wird nicht kommen, wenn es so weitergeht wie bisher!
Was ist zu tun?
Das Kind ist – wie man so schön sagt – nun in den Brunnen gefallen und in diesem speziellen Fall ist es nicht möglich die Verantwortung auf ein gesichtsloses Virus oder die Unkenntnis der Lage zu schieben. Bereits vor der Einführung der Corona-Bremse habe ich an verschiedenen Stellen (Staatskanzlei, Wirtschaftsministerium, Landesparlament) schriftlich sehr deutlich gemacht, welche Folgen die Einschränkung von privaten Feiern auf maximal 50 Personen oder weniger für die ganze Branche haben würde. Es ist 1-zu-1 eingetreten, was ich geschildert habe. Unter diesen Umständen von „Opfern, die wir alle bringen müssen“ zu sprechen ist schon fast zynisch zu nennen.
Die Schuld für die aktuelle Misere liegt also letztendlich bei der Bundes- und Landesregierung und dort muss man jetzt Verantwortung für die eigenen Entscheidungen übernehmen. Wer bereit ist zum Schutz der Allgemeinheit das Wohl zehntausender Menschen zu opfern, muss im Gegenzug auch bereit sein, diese Menschen mit den Mitteln der Allgemeinheit vor dem Ruin zu bewahren und für das erlittene Unrecht (und genau das ist es), zumindest auf der grundlegendsten Ebene, entschädigen – von einer Würdigung der gebrachten Opfer ganz zu schweigen.
Wenn ein Dorf umgesiedelt wird, um Braunkohle abzubauen oder man einen Bauer enteignet, weil eine Straße über seine Felder gebaut werden soll, zahlen wir als Gesellschaft ja auch eine Entschädigung. Warum also sollte es hier anders sein? Schließlich werden wir ja geopfert um ein noch deutlich höheres Gut zu schützen als den Profit diverser Großkonzerne.
Aber genau das geschieht alles nicht. Und – nur um das noch einmal klarzustellen – hier geht es keineswegs allein um uns als Eventhaus Giebel. Hier geht es um die gesamte Veranstaltungsbranche – Zehntausende Menschen, der sechst(!)größte Wirtschaftszweig des Landes. Was es bisher an Hilfen gab (Soforthilfe & Überbrückungshilfe) ist entweder für die Situation der vielen Solo-Selbstständigen falsch strukturiert, zu schwierig zu beantragen und/oder im Umfang schlicht unzureichend.
Hier muss nun im Eiltempo nachgebessert werden. An den Mitarbeitern und Inhabern jedes Unternehmens, das aufgrund der beschlossenen Maßnahmen Insolvenz anmelden musste, hat die Politik bereits ein nicht wieder gut zu machendes Unrecht zum Wohl der Allgemeinheit begangen. Ob diesen Menschen irgendwann Gerechtigkeit wiederfahren wird, ist fraglich. Nun bleibt nur noch zu hoffen, dass es nicht noch mehr werden.